Die Bibliothek der Zukunft und elektronisches Publizieren

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Abstracts zu: eXamples of Modern Libraries - Publikation, Dokument und Format (XML - PDF) in der Bibliothek der Zukunft. Bericht von der internationalen Konferenz "IuK99 - Dynamic Documents" der IuK-Initiative der wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland in Jena (22. bis 24. März 1999). ABI-Technik 19 (1999) 244-249

Themen der internationalen Konferenz "IuK99 - Dynamic Documents" der IuK-Initiative der wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland in Jena (22. bis 24. März 1999) waren das elektronische Publizieren, z.B. von digitalen Zeitschriften und Dissertationen, sowie dessen Auswirkungen auf die wissenschaftliche Forschung und Lehre. Vorgestellt wurden internationale und nationale Projekte der Bibliothek der Zukunft. Der stattfindende Paradigmenwechsel stellt althergebrachte Vorstellungen von Begriffen, wie z.B. Dokument, Format, Publikation, Zeitschrift, Sammlung oder Bibliothek, in Frage.

Introducing international and national projects on the library of the future, the international conference "IuK99 - Dynamic Documents" of the IuK Initiative Information and Communication of the Learned Societies in Germany in Jena (March 22-24, 1999) dealed with electronic publishing, for example of digital journals and theses, as well as its effects on scholarly research and teaching. The ongoing paradigm change challenges traditional ideas and concepts, e.g. document, format, publication, journal, collection, and library.

 


 

Digitale Bibliotheken

www.ncstrl.org - Das dezentrale, förderative NCSTRL-Projekt (Networked Computer Science Technical Reference Library) bildet einen verteiltes internationales Volltext-Archiv mit zentraler Recherchemöglichkeit nach Preprints und Reports der Computerwissenschaften, das auf gemeinsamen Protokollen (DIENST) und Metadaten-Standards beruht.

www.dli2.nsf.gov - Dave Atkins (University of Michigan) sieht die Rolle von Dokumenten weniger darin, Mittel für die Lieferung von Informationen zu sein, sondern eher darin, Gemeinschaften zu schaffen und zu pflegen. Er sieht hier ähnlich wie Brown und Duguid ein "soziales Leben" von Dokumenten. Hatte die erste Phase der Digital Libaries Initiatives in den Staaten noch relativ wenige Teilnehmer, wird die 2. Phase wesentlich breiter durchgeführt werden. Auch die fördernden Partner sind zahlreicher geworden. War die erste Phase noch eindeutig technologie-orientiert, ist die 2. Phase mehr "human and content centered". Als weiteren Hintergrund für die Digital Library Initiativen sei der Report über "Collaboratories" erwähnt, aber auch auf den ganz aktuellen Bericht an den Präsidenten des President's Information Technology Advisory Committee (PITAC) mit dem Titel "Information Technology Research: Investing in Our Future". Einer der aus europäischer Sicht interessantesten Programmteile der Digital Library Initiative in den Staaten ist die mögliche Förderung von internationaler Zusammenarbeit in DL-Projekten.

www-diglib.stanford.edu - Das Digital Library Project der Stanford University war eines der 6 Projekte der ersten Phase der Digital Library Initiative. Hauptgegenstand des Projektes war die Integration der verschiedenen Suchmöglichkeiten und -philosophien diverser Quellen (Bibliothekskataloge, Fachdatenbanken (Dialog), WWW, ACM, Z39.50), um möglichst einheitliche Suchoberflächen zu erhalten.

 

Auswahl deutscher Projekte: Global Info, MILESS, ELIB u.a.

 

Dokumente und Formate

Die Frage, was denn Dokumente überhaupt sind, wird im digitalen Zeitalter erneut gestellt (Beispiele Michael Buckland www.sims.berkeley.edu/~buckland/digdoc.html ). Prinzipiell besteht ein textbezogenes Dokument aus Inhalt, Struktur und Layout. Das von Verlagen gern genutzte Format PDF (Portable Data Format) erlaubt eine dem Druckbild entsprechende Darstellung. Es ist jedoch ein totes Format. Die Einbindung wirklich multimedialer Elemente wird nur durch die Weiterentwicklung von SGML (Standardized General Markup Language) erleichtert, durch die Verwendung von XML (eXtended Markup Language), einer Art "SGML-lite". Möglich ist hier die Integration von Texten, Abbildungen, Tondateien, Videos, Simulationen, Ergebnis-Ausgaben von Computer-Programmen u.a. in einem virtuellen Dokument, wobei jedes der verschiedenen Teile durch eine eigene Document Type Definition (DTD) charakterisiert sein kann.

ala.vsms.nottingham.ac.uk/vsms/talks/ - Nach Auffasssung des britischen Kristallographen Peter Murray-Rust (University of Nottingham) ist XML das universelle Datenformat der Zukunft. XML erlaube die größtmögliche Annäherung zwischen Autoren, Herausgebern und Lesern. XML ist sehr gut auch von Maschinen interpretierbar und ist eine Sprache für die Beschreibung von Auszeichnungssprachen, wie etwa HTML. Bei HTML gibt es eine feste Anzahl von Elementen, genannt Tags, mit denen das Aussehen der Seiten beschrieben wird. Bei XML kann man die Tags selber definieren. Die (XML-fähigen) Browser stellen den Text dann entsprechend dar. Das wichtigste Merkmal von XML ist die Trennung von Inhalt und "Design" des Dokumentes, und die damit verbundene Plattformunabhängigkeit. Gut geeignet für die Archivierung ist XML auch durch die Verwendung von Metainformationen, die das Retrieval in Datenbanken sehr erleichtern. Der Austausch von Daten ist bei Verwendung einer sogenannten DTD (Document Type Defintion) problemlos möglich. Auch die Wiederverwendung schon erstellter Dokumentteile in anderen Zusammenhängen ist eine Stärke von XML. Murray-Rust erklärte den Unterschied zwischen HTML und XML folgendermassen: HTML erlaube es jedem Menschen, etwas zu publizieren. XML erlaube es jedem Menschen und jedem Computer, irgend etwas zu publizieren.

Die nachträgliche Strukturierung unstrukturierter elektronischer Dokumente kostet eine Menge Zeit und damit Geld. Zukünftige Autoren werden zunehmend besser ausgebildet sein, um die Werkzeuge effektiv zu benutzen, die eine Strukturierung elektronischer Dokumente schon bei der Erstellung erlauben.

Elektronische Zeitschriften

Die etablierten, leicht zu archivierenden, aber teuren und statischen Druck-Zeitschriften werden zunehmend bei den meisten Verlagen durch digitalisierte Versionen ergänzt. Diese erlauben die elektronische Lieferung der Inhalte der gedruckten Ausgabe. Damit wird schneller, weltweiter Zugang und bessere Recherchierbarkeit erreicht. Die Möglichkeiten der neuen Medien werden jedoch nicht voll ausgeschöpft. Erst die digitalen Zeitschriften gestatten dies durch den Einbau von Interaktivität, nicht linearer Struktur und reichhaltigem Medieneinsatz (z.B. bei audio-visuellen Erläuterungen von Konzepten u.a.). Digitale Zeitschriften können neben mehr informellen Teilen, wie etwa Präsentationsfolien von Kongressen, auch Real-Time-Analysen von unterschiedlichsten Datenbeständen sowie Life-Beobachtungen von wissenschaftlicher Forschung enthalten. Für diese neuen Inhalte ist es aber z.B. notwendig, effektive Beurteilungsprozesse (Refereeing) zu entwickeln.

www.njp.org - Das Modell des "New Journal of Physics" des Institute of Physics ermöglicht freien Zugang zu allen Volltexten und gleichzeitig müssen die Autoren für eine Veröffentlichung bezahlen, langfristig sicher der richtige Weg auf dem Zeitschriftenmarkt.

www.cogsci.soton.ac.uk/~harnad/ - Für den Kognitionspsychologen Stevan Harnad (University of Southampton), der sich schon seit vielen Jahren mit dem Publizieren in der Post-Gutenberg-Ära beschäftigt, ist der Begriff der Sammlung ("collection") ein papierbasierter Begriff. Harnad schlägt lokale und globale Server im Stile des Los-Alamos-Preprint-Servers von Paul Ginsparg vor, die den Zugriff auf wissenschaftliche Zeitschriften von jedem, zu jeder Zeit und von überall kostenfrei gestatten. Das entscheidende der wissenschaftlichen Publikation sei die Qualitätskontrolle sowohl hinsichtlich des Inhaltes als auch der Form ("peer-review" und "editing"). Er schlägt den Bibliotheken ein "Subversive Proposal" vor. Statt weiterhin Gelder für Zeitschriften auszugeben, egal ob im Rahmen von Subskriptions-, Site-Lizenz- oder Pay-Per-View-Modellen, sollten diese Gelder den Autoren als Page-Charges für die Veröffentlichung in freien Zeitschriften zur Verfügung stehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Herstellungs- und Vertreibskosten für elektronische Zeitschriften nur ca. 25 % der Kosten gedruckter Medien betragen. Er bezeichnete Site-Lizenzen als "trojanische Pferde" der Verlage, um weiterhin gut am Kunden zu verdienen.

Eine gute elektronische Zeitschrift enthält dynamische Elemente in Form von Links sowohl zu zitierten Artikeln, als auch zu Zitaten in zukünftigen "Aufsätzen", sowohl zu recherchierbaren Referenz- und Abstract-Datenbanken als auch zu Originaldaten, Videos, usw. Dabei sind diese Links nicht nur auf eigene Informationsquellen des Herstellers beschränkt, sondern schließen auch andere Anbieter mit ein. Als permanente Informationsquelle bietet die Zeitschrift zuverlässige und exakte Informationen als Bindeglied zwischen Informationsproduzent und -konsument (Leser). Dies schliesst dann auch eine permanente Kontrolle der interaktiven Elemente und die Problematik der Archivierung ein: "Scholarly permanence implies electronic master copy, logically taggd in SGML/XML." Zukünftige "Zeitschriften" müssen auch nicht an einem Ort "stehen". "Overlay-Zeitschriften" stellen, ähnlich wie virtuelle Sammlungen, die logische Organisation von physikalisch vollständig getrennten Werken dar. Die einzelnen "Aufsätze" einer elektronischen Zeitschrift müssen also gar nicht auf einem bestimmten Server liegen, sondern können verteilt auf verschiedensten Rechnern zur Verfügung stehen. Damit liegt die eigentliche intellektuelle Arbeit der Editoren einer elektronischen Zeitschrift im zugrundeliegenden Konzept.

Aufgabe von Verlegern auch in Zukunft ist es, einen zweckdienlichen Grad an Einheitlichkeit zur blossen Information hinzuzufügen sowie logistische Unterstützung für den Informationsaustausch zu gewährleisten. Arnoud de Kemp (Springer Verlag) betonte die zur Zeit noch geringe Akzeptanz elektronischer Zeitschriften. Deutlich wurde auf der IuK99 in Vorträgen aus Verlagssicht, dass diese anfangen, die langfristige Speicherung von elektronischen Dokumenten durchaus auch als Aufgabe von Verlagen zu sehen.

 


Copyright: Thomas Hapke, 6.12.1999

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