Lohnt es sich im Zeitalter von Online-Recherche und Internet ueberhaupt noch Literaturrecherchen in gedruckten Diensten zu beruecksichtigen ?
Ist eine erfolgreiche Durchfuehrung einer Online-Recherche fuer den Endnutzer moeglich oder bleibt weiterhin der Informationsspezialist notwendig ?
Beide Fragen werden beim ersten Durchblaettern des Buches von Hedda Schulz und Ursula Georgy implizit aufgeworfen. Beide Fragen lassen sich nach genauerer Lektuere des Werkes, zumindest auf die Chemie bezogen, auch beantworten.
Die 1985 bei der VCH Verlagsgesellschaft erschienene, nur von Hedda Schulz verfasste erste Auflage kam fuer die Onlinerecherche noch mit gut 30 von insgesamt 170 Seiten aus. In dieser gut ausgestatteten 2. Auflage sind gut die Haelfte des Gesamtumfangs den Onlinerecherchen in Chemie-Datenbanken gewidmet. Trotzdem wird den gedruckten Chemical Abstracts mit Recht viel Raum gewidmet, denn schon im Vorwort stellen die beiden Autorinnen fest: "Wer die Systematik der Literaturrecherche in den gedruckten Diensten nicht beherrscht, der wird die Online-Dienste nicht sinnvoll und erschoepfend nutzen koennen."(S. VIII) Dies deckt sich mit Aeusserungen zur Ausbildung in Chemie-Information von Engelbert Zass: "Da Inhalte und Strukturen von Informationsquellen am besten in der gedruckten Version ersichtlich sind, soll die Ausbildung in Chemie-Information damit beginnen. Dies dient sowohl zur Befriedigung unmittelbarer Informationsbeduerfnisse fuer Praktika, Seminare oder Semesterarbeiten und auch als Vorbereitung auf die spaeter vorzustellenden elektronischen Versionen."1 Zumindest fuer den Chemie-Bereich ist die obige erste Frage also zu bejahen.
Treffend ist auch folgende im Buch erwaehnte Analogie: Bei der Online-Recherche gelangt man vom wie immer auch gearteten Ausgangsbegriff wie durch einen "Tunnel" zur Zielinformation. Man findet in der Regel immer etwas, aber nie das, wonach man nicht gesucht hat. Diese Art von Browsing-Effekt tritt bei manueller Suche dagegen haeufiger auf, ausserdem veraendert der Suchende hier seine Suchstrategie meist unbewusst, wenn er je nach Ergebnis Suchbegriffe erweitert, verengt oder wechselt.
Das vorzustellende Buch bietet im ersten Teil eine umfassende und detaillierte Einfuehrung in die gedruckten Produkte des Chemical Abstracts Service, wie die Abstracts selbst aber auch den CAS Source Index (CASSI), den Registry Handbooks und dem Ring Systems Handbook. Im zweiten Teil werden dann die Datenbanken des Chemical Abstracts Service, Registry, CA, CAOLD u.a. behandelt, aber auch weitere Chemie-Datenbanken beim Datenbankanbieter STN, wie WPI, CIN, CBNB, Beilstein und Gmelin, werden wenigstenz kurz besprochen. Den Abschluss bildet ein Vergleich des Angebotes der Chemical Abstracts bei 5 weiteren Hosts sowie ein Glossar wichtiger Begriffe. Besonders hervorgehoben werden muss die hohe Aktualitaet dieses Werkes ueber ein schnellebiges Gebiet: Alle Recherchen und Tips gelten fuer den Stand Dezember 1993. Auch trotz der im Juli 1994 greifenden Erweiterungen und AEnderungen beim CA File bleibt das zu besprechende Buch unveraendert aktuell.
Immer wieder stoesst der Leser auf interessante Details und Tips, die die Lektuere dieses Buches auch fuer den etwas erfahreneren Praktiker lohnen. Ein paar von ihnen seien hier genannt:
Eine kleine Ergaenzung waere zum Kapitel "Textsuche mit Sachbegriffen" in der CA-Datenbank zu machen: Damit bei der Suche auch das normierte Vokabular der Index Terms beruecksichtigt wird, ist der Gebrauch der Index Guides der gedruckten Ausgabe bei der Vorbereitung unbedingt zu empfehlen, ein Hinweis, der leider an dieser Stelle fehlt. (S.192-193)
Das Zusammenspiel der verschiedenen Datenbanken des CAS-Informationssystems beim Datenbankanbieter STN untereinander und mit weiteren Datenbanken, wie z. B. die Crossfile-Technik, wird aehnlich gut und praxisbezogen bewusst gemacht wie im "Field Guide to Chemical Information" vom Datenbankanbieter Dialog (Palo Alto, 1992).
Eines wird bei der Lektuere dieses Buches klar an Beispielen belegt: "Um das Frageprofil fuer die Online-Recherche zu optimieren und die zutreffenden Suchbegriffe auszuwaehlen, ist chemisches Wissen notwendig".(S. 290) Damit ist auch die zweite der eingangs gestellten Fragen fuer die Chemie beantwortet. Nur durch das Zusammenspiel von genauer Kenntnis der betreffenden Datenbanken mit gruendlichem Fachwissen sind Online-Recherchen wirklich optimal durchzufuehren. Der sporadische Endnutzer bleibt weiterhin auf den Informationsspezialisten angewiesen.
1 E. Zass: Die Rolle der Chemie-Information in der Chemie-Ausbildung. In: Mitteilungsblatt. Gesellschaft Deutscher Chemiker. Fachgruppe Chemie-Information-Computer. 29(1994) S. 13-32. Hier: S. 20-21