Die englische Bezeichnung dessen, was in deutschen Bibliotheken Information, Auskunft oder auch Auskunfts- oder Informationsdienst genannt wird, umfasste schon immer mehr Service als in Deutschland üblicherweise angeboten wird.
In seinem schönen Beitrag "Preparing to Meet the Future of Reference Service: Leverage Knowledge and Instruction for Tomorrow’s University Library" beschrieb David Michalski, University of California, Davis, 2011 seine Sicht auf die zukünftige Entwicklung.
Hier ein paar, auch aus meiner Sicht programmatische Textausschnitte, die nicht nur auf den Auskunftsdienst zu beziehen sind, sondern auf die gesamte wissenschaftliche Bibliothek, einschliesslich deren Aktivitäten zur Förderung von Informationskompetenz:
"Reference is not an imposition [= lästige Pflicht!]; rather it lays bare what is already integral to the intellectual project of universities. To refer is to provide context, to put into connection, to follow the connection that weaves together social worlds.[…]
The reference librarian thus teaches the archaeology of documents. He or she helps reconstruct how documents come to life, and how they are received in different circumstances. The reference librarian alerts readers to the social life of information by teaching how connections and distinctions take shape within a document’s information network.[…]
… one must get to know one’s patrons by participating in their academic life. Librarians at universities ought to find ways to imagine the social world of students and faculty, perhaps by attending classes and discussing how syllabi are designed. […]
The accelerated instability of disciplinary boundaries challenges the library.[…]
A paradox of transparency has arisen within the contemporary information environment: while the visibility and access to information expands, the social context of information seems to have become less transparent. The same vast, multidisciplinary digital reserves, which make the discovery of information possible has led to a disembodied form of content presentation. Context is harder to perceive. As such it is harder for both the researcher and librarian to re-situate the social location of information. In this environment, the interpretation, evaluation, and translation of sources becomes a crucial factor in the successful research endeavor. As such, universities require the diffusion of new information literacy skills, those appropriate to a changing infoscape.[…]
The separation between librarian skills and academic research skills no longer holds, but this is not disintermediation.[…]
Librarians need to understand the research process. […] This knowledge is best acquired through practice.[…]
Reference and collection development are complementary tasks and ought to be thought about and practiced together.[…]
Danke für Deinen Kommentar, Anne! Er macht mir bewusst, wie stark meine Gedanken und Wahrnehmungen von meinem Kontext als Fachreferent besonders auch an einer naturwissenschaftlich-technisch orientierten Bibliothek geprägt sind. Diejenigen, die wir heute noch FachreferentInnen nennen, werden in einer Institution, die wir heute noch Bibliothek nennen, vielleicht als Data oder Embedded Librarian in einem Forschungsteam arbeiten und vielleicht nur durch den Austausch in einer Community of Practice so etwas wie die heutige Institution Bibliothek bilden.
Was den Berufsstand und dessen Entwicklung angeht, bin ich sicher ähnlich zwiegespalten wie Du. Für mich geht die personelle Entwicklung von Bibliotheken in Richtung weniger Menschen, die aber deutlich besser qualifiziert sein werden. Und ich kenne auch viele Menschen, die ich so wahrnehme, wie ich mir in und für Bibliotheken Arbeitende vorstelle! Und allein das macht mich optimistisch!
Die in der anglo-amerikanischen Literatur immer wieder erwähnten „faculty-library-partnerships“ sind sicher nicht nur in Deutschland eine Seltenheit, sonst würden sie international nicht so oft betont!!
Danke für den Hinweis, Thomas. Das Bild von der Archäologie der Dokumente ist toll! Was ich mich beim Lesen aber gefragt habe: Können die Dienste, wie Michalski sie skizziert, nicht eigentlich nur von der Gruppe von BibliotheksmitarbeiterInnen erbracht werden, die wir heute noch FachreferentInnen nennen? Oder andersherum: Was müssten für das Michalski-Szenario diejenigen dazu lernen, die heute an der durchschnittlichen Unibibliothek hierzulande Dienst an der Auskunftstheke tun? Mir gefällt die Vision, und ich bin ja ohnehin grundsätzlich optimistisch, was die Fähigkeit des Berufsstands zur Weiterentwicklung angeht. Aber ich weiß nicht, wie wir die geforderte Nähe zu Forschenden, Lehrenden und Lernenden hinbekommen sollen, wo die uns in Bibliotheken doch so wenig auf dem Schirm zu haben scheinen, wenn es darum geht, uns in ihre Arbeit einzubeziehen – und das schreibe ich jetzt insbesondere aus der von dir auch angesprochenen Informationskompetenz-Perspektive. Aber vielleicht bin ich da auch zu pessimistisch?