Karsten Schuldt spricht mit seinem Beitrag "Das Unbehagen mit der Informationskompetenz" wichtige Diskussionspunkte zum Verständnis von Informationskompetenz an.
Mit den sich laufend weiterentwickelnden Informationslandschaften müssen bisherige Konzepte und Praxis zur Förderung von Informationskompetenz auch weiterentwickelt werden. Deshalb finde ich solche Diskussionen immer wieder sehr wichtig und erhellend. Die bisherige Popularität des Themas Informationskompetenz im Bibliotheksbereich hat ganz sicher auch mit der historischen Situation von Bibliotheken zu tun. Darum ist ein grundsätzliches Hinterfragen immer wieder wichtig!
Information literacy wurde von einem amerikanischen Kollegen mal als „critical attitude“ beschreiben und auch für mich ist dies ein wesentlicher Kern von Informationskompetenz (IK). Meine eigene, eher theoretisch orientierte Haltung habe ich letztes Jahr im "Handbuch Informationskompetenz" publiziert (als Preprint nun auch Open Access zur Verfügung). Eine kürzliche Rezension des Handbuches von Lars Müller, über die ich mich aus verständlichen Gründen sehr gefreut habe, ist gerade bei Libreas erschienen.
Seit die TU-Bibliothek ihr Discovery-System TUBfind als primären Sucheinstieg nutzt, hat sich der Zugriff auf ihre elektronischen Volltext-Ressourcen erheblich gesteigert! Das Argument, lieber Informationssysteme zu verbessern statt zu viel Aufwand in IK-Aktivitäten zu stecken, ist so alt, wie das Thema IK selbst. Aus meiner Sicht ist beides notwendig. Aber die Frage ist, was genau wird mit IK gemeint (kann auch eine uferlose Diskussion sein, ist halt eine „diskursive Konstruktion“ der Begriff 😎 ) und wie kann man diese (nicht nur die Diskussion, sondern das, was mit information literacy gemeint ist!) sinnvoll fördern. Letzteres ist auch durch Marketing-Massnahmen, durch den Einsatz von Embedded Librarians, durch qualifizierte Beratung an der Information / Auskunft (die leider immer weniger nachgefragt wird), durch eine klaren, strukturierten und nicht überladenen Webauftritt oder z.B. durch interessante Blog-Beiträge, wie es sie von vielen Bibliotheken gibt, möglich.
Ich finde das Thema IK und deren Förderung immer dann fraglich, wenn es als Begründung für ein Überleben von Bibliotheken herhalten muss, wobei oft so getan wird, dass Bibliotheken die einzigen sind, die Informationskompetenz als Themenfeld beackern, was ja mitnichten der Fall ist. Zudem habe ich manchmal den Eindruck, dass man auf bibliothekspolitischer Bühne etwas überzogene Vorstellungen zum Thema hat. Man darf bei welchem Thema auch immer das jeweilige Thema bibliothekspolitisch nicht den jeweiligen Experten überlassen. 😎
Auch anderswo gibt es viele Diskussionen, wie Bibliotheken am besten das (sogar lebenslange) Lernen und Informationskompetenz fördern koennen. Hier ein paar Beispiele:
- Decode Academy, Vortrag von Barbara Fister mit "outrageous claims" wie "We should stop teaching students how to find sources", "We should stop policing plagiarism" u.a. [Zusatz am 2.8.2013:] Eine Diskussion von Fisters Papier findet man auch im Information Literary Journal Club organisiert von Sheila Webber.
- Der Amerikaner Lane Wilkinson hat Information literacy in einem aktuellen Blog-Beitrag nicht als Kompetenz oder skill bezeichnet, sondern als intellektuelle Tugend („intellectual virtue“)!
- Der Brite Drew Whitworth untersucht die „politically and socially empowering dimensions of information literacy“. Neu war hier für mich auch der Hinweis auf einen frühen Text zur Information literacy aus dem Jahre 1976: Hamelink, Cees (1976): An Alternative to News, Journal of Communication 26. Issue 4, S. 120-3 (Zugreifbar via DFG-Nationallizenz!)
- In den ACRL 2013 Proceedings finde ich folgende Beiträge besonders lesenswert:
- Information Literacy as a Formative Force von Paulette M. Rothbauer, Sheril Hook, and John M. Budd.
- Der Beitrag Project Information Literacy: What Can Be Learned about the Information-Seeking Behavior of Today’s College Students? von Alison J. Head weist auf das Project Information Literacy hin, was ich bisher noch nicht kannte.
- Reference Service at an Inflection Point: Transformations in Academic Libraries von Craig Gibson and Meris Mandernach.