Konvergenzen enthielt auch mein Vortrag mit dem Titel "Between manifold and completeness – mathematics and form in the work of Wilhelm Ostwald with crosslinks to Wald" auf einem Workshop "Wald, Positivism, and Chemistry" gesponsert von der Wald-Foundation in Kooperation mit der International Society for the Philosophy of Chemistry in Prague-Pruhonice im Oktober (16-17.9.2009).
Einserseits verbanden sich in meiner Präsentation meine beiden Studienfächer Chemie und Mathematik, andererseits führte mich die Beschäftigung mit dem tschechischen Chemiker Frantisek Wald, der Ende des 19. Jahrhunderts die vorherrschende Atomlehre in Frage stellte, zusammen mit der Beschäftigung mit Konzepten wie "Mannigfaltigkeit" und "Restlosigkeit" zu einem besseren Verständnis davon, wie viel Chemie in Ostwald’s Gedanken zum Informationswesen und den Brücke-Aktivitäten steckt (vgl. Folien 28-31). Neben Ostwald sind z.B. weitere Pioniere des Informationswesens wie Erich Pietsch und Gene Garfield, der Entwickler des Science Citation Index, von Hause aus Chemiker! Ein aktueller Gebrauch der Chemie-Metapher in der digitalen Informationswelt stammt von Peter Glaser: Die Chemie des Digitalen.
Auch meine schon lange währenden Interessen, Wissenschaftsgeschichte bei der Vermittlung von Wissenschaft zu nutzen, kamen bei diesem Workshop auf ihre Kosten.
Frantisek Wald problematisierte auch den Begriff des chemischen Elementes, dass für jemanden, der Chemie lernt, kaum etwas mit seinem Alltag zu tun hat. Chemische Elemente, wie sie in der Regel (Ausnahmen sind z.B. Silber und Gold) sowohl im Chemieunterricht in Schule und Hochschule genutzt werden, sind immer künstlich hergestellte, manchmal durch vielfache chemische Transformationen und Reaktionen entstandene oder kompliziert gereinigte chemische Substanzen, die so nur selten im Alltag vorkommen. Ein chemisches Element ist also auch ein wissenschaftstheoretisches Konzept und Modell, was Wissenschaftler entwickelt haben. Bei der Vermittlung chemischen Wissens in Schule und Hochschule, die sich zwischen Fachwissenschaft, Lebenswelt des Schülers bzw. Studierenden und Gesellschaft angesiedelt sieht, wobei der Bezug zur Lebenswelt heute meist über die Produkte der chemischen Industrie im Alltag erfolgt, sollte der Zusammenhang zwischen Chemie, Wissenschaftstheorie und Gesellschaft zumindest implizit eine Rolle spielen. Die Bekanntschaft mit dem nicht mehr ganz jungen tschechischen Chemiker und Chemie-Didaktiker Jindrich Hellberg, der sich auch viel mit Wald beschäftigt hat und auch den "Historical aspect of general chemistry education" (so ein Beitrag auf einer polnischen Konferenz zur Didaktik der Chemie) beachtet hat, ergänzte diesen in der Nähe von Prag stattfindenden "Workshop der Konvergenz" für mich.
Der Einbezug von Wissenschaftsgeschichte wird aber auch aktuell immer öfter thematisiert: So forderte im Frühjahr 2009 der Deutsche Hochschulverband, die bundesweite Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland, die Einführung der Fächer Wissenschaftsgeschichte und Ethik als Teil des Pflichtlehrangebots aller Studiengänge an deutschen Universitäten.